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Finden geeigneter Zielreize

 

Mit der in den vorangegangenen Abschnitten beschriebenen Apparatur können keine beliebigen Farben produziert werden: Ob sich eine bestimmte Farbe produzieren läßt, hängt von der Transmission des LCTF bei der bunttongleichen Wellenlänge dieser Farbe ab sowie von der maximalen Leuchtdichte des zur Entsättigung verwendeten ``weißen'' Lichts. Diese beiden Bestimmungsstücke müssen empirisch gemessen und bei der Erzeugung der Reize berücksichtigt werden. Da schon geringe Veränderungen der optischen Bank (z.B. durch Verschieben) zu wahrnehmbaren Veränderungen dieser Parameter führen können, müssen sie regelmäßig mit einem Photometer erhoben werden und bei der Steuerung des Experiments wie im letzten Abschnitt beschrieben berücksichtigt werden.

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Abbildung 2.9:  

Bei einer Leuchtdichte von tex2html_wrap_inline7928 darstellbare Farben: Diese Abbildung zeigt den gamut der Apparatur, also diejenigen Farben, die mit einer Leuchtdichte von 2.0 tex2html_wrap_inline7258 durch Projektion auf die am Monitor befestigte Fläche herstellbar sind. Die Farborte der darstellbaren Farben, die vom Spektralzug umgeben sind, werden durch eine Raute gekennzeichnet.

Für eine fest vorgegebene Leuchtdichte läßt sich genau berechnen, welche der möglichen Farben darstellbar sind. In Abbildung 2.9 ist die mit einem dazu implementierten Computerprogramm bestimmte Menge an Farben dargestellt, die bei einer Leuchtdichte von 2.0 tex2html_wrap_inline7258 dargestellt werden kann. Diese Abbildung zeigt deutlich, daß einige Farben nicht in der vorgegebenen Leuchtdichte mit der verwendeten Apparatur herstellbar sind. Bei der Auswahl der Standardreize für das Experiment ist unbedingt darauf zu achten, daß man nicht in die Nähe solcher nicht produzierbarer Farben gelangt, da sich die Versuchspersonen in solchen Fällen nicht unbedingt eine Farbe merken müßten, sondern nur eine bestimmte Regelstrecke vom Extremwert aus.gif

Unabhängig von der Tatsache, daß bestimmte Farben gar nicht realisierbar sind, bereiten auch manche herstellbare Farben Probleme: Bei bestimmten Einstellungen unterliegt die Transmission des LCTF deutlichen zeitlichen Schwankungen, die teilweise so stark sind, daß bei Betrachtung der Zielreize der Eindruck entsteht, sie würden kurzzeitig verblassen und dann wieder erscheinen. Dieses Phänomen tritt insbesondere dann auf, wenn sich der LCTF auf über 30tex2html_wrap_inline7296 C erwärmt hat. Zur Identifikation von Einstellungen des LCTF, bei denen derartige Schwankungen auftreten, dient ein Programm, das für eine bestimmte Wellenlängeneinstellung des LCTF im Abstand von einer halben Sekunde jeweils eine Gesamtmessung der absoluten Leuchtdichte des Reizes in eine Protokolldatei schreibt. Eine Gesamtmessung errechnet sich dabei als Mittelwert von 300 direkt aufeinanderfolgenden Einzelmessungen mit dem Photometer. Ein Beispiel für die auf diese Weise erhaltenen Daten liefert die Abbildung 2.10, in der man erkennen kann, daß bei manchen Wellenlängen deutliche Schwankungen auftreten (z.B. bei 500 nm und 555 nm), bei anderen hingegen kaum (z.B. bei 600 nm). Für das Experiment werden Reize ausgewählt, bei denen derartige Schwankungen niedrig sind. Die Herstellung von Farbabgleichen zu sich selbstständig verändernden Reizen ist für die Versuchspersonen besonders schwierig, da der Standardreiz wegen der Schwankungen nicht eindeutig festgelegt ist, was zu größeren Streuungen in den von den Versuchspersonen produzierten Einstellungen führt. Dieser Sachverhalt wird neben der gerade beschriebenen Messung der zeitlichen Stabilität dazu genutzt, derartige Reize zu identifizieren und vom Experiment auszuschließen.

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Abbildung:  

Zeitliche Veränderung der Transmission des LCTF bei fester Wellenlängeneinstellung: Diese Abbildung zeigt je 7300 während einer Stunde erhobene Messungen der Leuchtdichte des von der Projektionsfläche reflektierten Reizes. Die Schwankungen ergeben sich nur aufgrund von Instabilitäten der Transmission des LCTF. Zur Durchführung der Messungen wird am Graukeil 1 maximale Transmission, am Graukeil 2 minimale Transmission und am LCT-Filter eine Wellenlänge von 500 nm (oben), 555 nm (mitte) und 600 nm (unten) eingestellt.

Ein ähnliches Problem ergibt sich aus den starken Schwankungen der Transmission des LCTF über das Spektrum hinweg (siehe Abbildung 2.6): Teilweise zeigen sich große Unterschiede in der Transmission bei nur sehr geringer Veränderung der Wellenlänge. Bei der Durchführung des Experiments führt dies dazu, daß sich bei einer geringen Veränderung des Farbtons die Helligkeit des wahrgenommenen Zielreizes plötzlich deutlich verändert. Versuchspersonen könnten sich deshalb beim Einstellen des Zielreizes an solchen Unregelmäßigkeiten der Transmission orientieren, die gegebenenfalls um den Zielreiz herum auftreten und als dunkle Stellen empfunden werden. Deshalb werden im Experiment nur solche Standardreize präsentiert, um deren bunttongleiche Wellenlänge herum die Transmission des LCTF relativ gleichmäßig ist.

Berücksichtigung besonderer Phänomene

Die Auswahl der Reize wird aber nicht nur von der verwendeten Apparatur bestimmt, sondern auch dadurch, daß sie möglichst wenig von Unregelmäßigkeiten in deren Wahrnehmung betroffen sein sollten. Die im folgenden dargestellten Phänomene, die die Farbwahrnehmung entsprechend beeinflussen, lassen sich durch die im ersten Kapitel besprochenen Modelle nicht erfassen. Die Graßmannschen Gesetze treffen beispielsweise bei den nun beschriebenen Effekten nicht zu. Diese Phänomene werden aber bei der Konstruktion von Farbeindrucks-Modellen (color appearance models) berücksichtigt. Teilweise wird dabei sogar zur Modellierung von jedem einzelnen dieser Phänomene ein zusätzlicher Parameter eingeführt, wie beispielsweise in dem Modell von Hunt (1995), das dementsprechend dann auch die meisten dieser Effekte vorhersagen kann.

In diesem Abschnitt soll insbesondere untersucht werden, inwieweit sich solche Effekte bei der Durchführung der vorliegenden Untersuchung auswirken können. Die im Experiment verwendeten Reize sind so ausgewählt, daß die nun referierten Effekte möglichst keinen störenden Einfluß ausüben können.

Bezold-Brücke-Effekt

Der Farbton eines Reizes hängt nicht nur von dessen relativer spektraler Zusammensetzung ab, sondern auch von seiner Intensität: Der von Purdy (1931) quantitativ untersuchte Bezold-Brücke-Effekt besteht in der Veränderung des Farbtons eines monochromatischen Reizes, dessen Leuchtdichte variiert wird. Hunt (1989) stellt allerdings fest, daß dieser Effekt nicht bei isoliert dargebotenen Farben auftritt.

Bei der Steuerung des in Kapitel 2.1 beschriebenen Versuchsaufbaus wird der Farbtons eines Reizes nur aufgrund seiner Farbwertanteile festgelegt, die Leuchtdichte bleibt dabei zunächst unberücksichtigt. Bei den für das Experiment ausgewählten Reizen ist aber davon auszugehen, daß der Bezold-Brücke-Effekt dennoch keine Rolle spielt, da die Leuchtdichte der verschiedenen vorgegebenen Standardreize nur in einem engen Bereich zwischen 2.4 und 3.9 tex2html_wrap_inline7258 variiert.

Abney-Effekt

Oft wird davon ausgegangen, daß ein Farbton durch seine bunttongleiche Wellenlänge charakterisiert werden kann. Dies ist jedoch nicht immer so: Wird zu einem monochromatischem Reiz ein achromatischer Reiz hinzugemischt, so verändert sich auch dessen Farbton, obwohl sich eigentlich nur die Sättigung verringern sollte. Dieses Phänomen bezeichnet man nach Abney (1910) als den Abney-Effekt. In der Normfarbtafel liegen die Mischungen zwischen monochromatischen und achromatischen Farben somit nicht auf der Verbindungsgerade zwischen den Farborten der beiden gemischten Farben. Die Ergebnisse von Robertson (1970) belegen diesen Effekt deutlich.

Der Abney-Effekt wirkt sich in der Mitte zwischen dem Farbort des achromatischen Reizes und dem Farbort des monochromatischen Reizes am stärksten aus, in der Nähe der monochromatischen Reize hingegen kaum (siehe hierzu beispielsweise die Abbildung 1(5.9) bei Wyszecki & Stiles, 1982, S.421). Da die in der vorliegenden Untersuchung verwendeten Reize alle relativ stark gesättigt (oder sogar monochromatisch) sind, sollte sich deshalb der Abney-Effekt kaum auswirken.

Brindley-Farbgleichheiten

Brindley (1955) beschreibt folgende Beobachtung bei der Wahrnehmung 4tex2html_wrap_inline7296 großer monochromatischer Reize am langwelligen Ende des sichtbaren Spektrums: Diese Reize erscheinen zuerst als Rot, dann Rot-Orange und schließlich bei noch höheren Wellenlängen wieder Orange. Sie sehen also farbgleich aus zu monochromatischen Reizen, deren Wellenlängenmaximum unterhalb von 700 nm liegt, und die Versuchspersonen von Brindley (1955) berichten auch keine Unterschiede in der Sättigung der Reizpaare. Solche Paare von monochromatischen Reizen verschiedener Wellenlänge nennt man Brindley-Farbgleichheiten (Brindley-Isochromes). In Tabelle 2.1 sind die Wellenlängen mehrerer solcher gleichfarbiger monochromatischer Reize angegeben.

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Tabelle 2.1:  

Paare von Wellenlängen monochromatischer Reize, die als gleichfarbig wahrgenommen werden ( \!Brindley-Isochromes) nach Brindley (1955, S. 41)

Für das hier besprochene Experiment spielen diese Farbgleichheiten keine Rolle, da die Reize so ausgewählt sind, daß die höchste Wellenlänge (bzw. bunttongleiche Wellenlänge) bei 640 nm liegt. Anzumerken ist aber, daß bei der verwendeten Apparatur dieser Effekt prinzipiell auftreten könnte, da sie auch im Bereich sehr hoher Wellenlängen (über 700 nm) für solche Effekte ausreichende Leuchtdichten produzieren kann.


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Last modified 10-29-98