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Taktile Displays

 

Eine empfehlenswerte Einführung in die Anwendung taktiler Displays stammt von Kaczmarek und Bach-y-Rita (1995). Sie betonen, daß wegen der großen Fläche der Haut (etwa 2 m tex2html_wrap_inline1490 ) große Informationsmengen gleichzeitig wahrgenommen werden können. Wird die Stirn zum Anbringen des taktilen Displays verwendet, entsteht dadurch außerdem keine weitere Behinderung motorischer oder sensorischer Funktionen. Wie auch bei der Retina des Auges ist eine zweidimensionale räumliche und eine zeitliche Integration von Informationen möglich, es lassen sich sogar Phänomene der lateralen Inhibition - wie beispielsweise Mach-Bänder - demonstrieren.

Zur Steuerung taktiler Displays sind entsprechende Sensoren erforderlich (siehe Abschnitt 8.2), bei denen mittlerweile bereits eine Auflösung von 1 mm realisiert werden kann. Nach Kaczmarek und Bach-y-Rita (1995) kann das Gehirn sogar lernen, taktile Informationen in das selbe Areal zu projizieren, in dem auch visuelle Informationen verarbeitet werden: Man kann die entsprechenden Reize sehen.

Haptik läßt sich zur Realisierung sogenannter ``taktiler Anzeigen'' (tactile displays) einsetzen, da die Berührungsempfindungen bei der Manipulation und Exploration eine bedeutende Rolle spielen. Allgemein eignen sich statische haptische Displays wegen ihres hohen Energieverbrauchs weniger gut (sie lassen sich kaum mit Akkus betreiben). In der Praxis werden deshalb meist vibrotaktile Displays eingesetzt. Man kann grundsätzlich folgende verschiedene Arten haptischer Displays unterscheiden (cf. Loomis & Lederman, 1986):

Empirisch zeigt sich, daß sequentielle Displays überlegen sind (vermutlich wegen der Adaptation der verschiedenen haptischen Systeme).

Die Entwicklung solcher haptischer Displays erfolgte ursprünglich zur Übermittlung zusätzlicher Informationen für Blinde: Haptik spielt bei Blindenschrift, dem Erfühlen von Zeichensprache und bei Tadomagif eine Rolle. Dabei tritt allerdings das Problem der Abbildung zwischen verschiedenen Sinnesmodalitäten auf, das sich beispielsweise bei Teleoperationen nicht ergibt. Insbesondere in Fällen, in denen sich visuelle Rückmeldung weniger eignet (z.B. Operationen in Schlammwasser), läßt sich haptisches Feedback erfolgreich einsetzen. Als weitere Anwendungsgebiete für haptische Displays nennen Loomis und Lederman (1986)

Wird für interaktives haptisches Feedback nicht nur ein Finger eingesetzt, sondern alle Finger einer Hand, dann bildet sich eine zentrale Region der Wahrnehmung heraus sowie eine periphere (cf. Kaczmarek & Bach-y-Rita, 1995). Auch durch alleiniges Feedback über Kräfte (tactile force displays) läßt sich Information über Oberflächeneigenschaften übermitteln, wenn gleichzeitig entsprechende Vibrationen eingesetzt werden.

Heute werden taktile Anzeigen entweder zur Teleoperation (es werden Objekte in der realen Welt manipuliert) eingesetzt oder zur Interaktion mit virtuellen Realitäten (simulierte Objekte einer virtuellen Welt werden manipuliert). Das Besondere an solchen taktilen Displays ist, daß der Benutzer physikalisch mit dem Interface interagiert, das somit gleichzeitig Eingabegerät und Anzeigegerät ist. Bei der Modellierung der (realen oder virtuellen) Umgebung müssen mechanische Constraints berücksichtigt werden(beispielsweise lassen sich Wände nicht durchdringen), die haptische Wahrnehmung hängt dagegen alleine vom Benutzer ab.

Insbesondere bei Bewegungen, die eine hohe Präzision erfordern, ermöglicht die mechanische Verformung der Hautoberfläche Rückschlüsse auf die Beziehung zwischen der Greifhand und dem ergriffenen Objekt. Die Oberflächenstruktur eines Gegenstandes läßt sich durch die Vibrationen erfühlen, die beim Streichen über diese Oberfläche ausgelöst werden. Berührungsempfindungen spielen aber auch eine wichtige Rolle bei anderen Aufgaben, beispielsweise beim medizinischen Abtasten zum Erkennen von verborgenen anatomischen Strukturen (wie Tumoren).

Taktile Displays stimulieren die Haut entsprechend, so daß diese Berührungsempfindungen hervorgerufen werden. Dabei unterschiedet man zwischen Systemen, die nur Kräfte ausüben, und solchen, die auch verteilte Empfindungen übermitteln können. Die Haut kann folgende Arten von Reizen wahrnehmen:

Vibrationen übermitteln Information über die Oberflächenstruktur, die Glätte, deren Nachgiebigkeit, und über mögliche Löcher. Oft werden Vibrationen als diffus und schwer lokalisierbar empfunden. Vibrationen können im Bereich von wenigen Hertz bis wenige hundert Hertz wahrgenommen werden. Geräte zu deren Erzeugung lassen sich relativ einfach herstellen.

Räumlich kleine Formen oder Druckverteilungen lassen sich nur schwer simulieren. Üblicherweise wird dazu ein Feld aus eng (weniger als ein paar Millimeter) beieinander liegenden Nadeln eingesetzt, die einzeln angesteuert werden können, um den erwünschten Druck auf die Finger auszuüben. Derartige Geräte müssen klein und leicht genug sein, um auf einem entsprechenden Interface angebracht werden zu können.

Temperaturinformation basiert auf einer Kombination von Temperaturleitfähigkeit, Temperaturspeicherung und der Temperatur selbst. Daraus lassen sich sowohl Rückschlüsse auf das Material als auch auf die Temperaturdifferenz ziehen.

Andere taktile Modalitäten lassen sich beispielsweise durch elektrische Stimulation der Haut, durch Ultraschall oder durch rotierende Scheiben (Rutschigkeit) hervorrufen.

Schmerz entsteht bei zu starker Reizung einer der genannten Modalitäten.

Haptische Displays sollen also taktile Information so darbieten, daß ein menschlicher Operateur eine virtuelle (oder entfernte) Umgebung empfinden und manipulieren kann. Die bisher hierzu implementierten Systeme weisen nach Tsai (1996) aber eine Reihe von Schwachstellen auf:

Achtung: Beim Übergang von kontinuierlicher zu diskreter Zeit können bestimmte physikalische Gesetze außer Kraft gesetzt werden (z.B. der Energieerhaltungssatz). Deshalb muß darauf geachtet werden, daß die Gültigkeit dieser Gesetze gewahrt bleibt und nicht die Genauigkeit der Gleichungen im Vordergrund steht (cf. Tsai, 1996).

Howe, Kontarinis und Peine (1995) beschreiben ein taktiles Display, das über ein Feld von kleinen Stiften - die Autoren bezeichnen sie als tactors - die Gestalt eines Objektes an die Fingerspitzen des Benutzers weiterleiten kann, indem diese Stifte einzeln angehoben oder abgesenkt werden. Da dieses von Howe et al. (1995) beschriebene Display in einer Greifhand zur Steuerung eines Roboters angebracht ist, muß es nicht nur klein (es muß zwischen zwei Finger passen) und leicht sein, sondern auch stabil, da es ja an einer Position angebracht ist, an der auch vom Benutzer Kräfte ausgeübt werden.

Schließlich sollen von einem derartigen Gerät auch die Kräfte simuliert werden können, die bei der Manipulation realer Objekte auftreten können. Dazu müssen folgende Spezifikationen erfüllt sein:

Zur Realisierung dieser Vorgaben wird ein tex2html_wrap_inline1492 -Feld von shape memory alloy Aktuatoren eingesetzt: Diese Taktoren können durch Anlegen einer Spannung gesteuert werden, die einen Draht erwärmt, der dadurch in eine andere Länge ``umspringt'', so daß über einen Hebel der entsprechende Stift angehoben wird. Die Herstellung solcher Aktuatoren wird von Wellman, Peine, Favalora und Howe (1997) beschrieben. Die Autoren schildern die Schwierigkeiten bei der Ansteuerung solcher SMA-Aktuatoren (kein linearer Zusammenhang zwischen anliegender Spannung und ausgeübter Kraft; asymmetrische Reaktionen (Abkühlen dauert relativ lange); hohe Latenzen) und mögliche Auswege:

Von Wellman, Peine, Favalora und Howe (1997) wird ein ähnliches System vorgestellt, bei dem durch ein Feld von zehn kleinen Stiften (die über shape-memory-alloy-Drähte (SMA) angesteuert werden) die Deformierung der Haut simuliert werden soll. Derartige taktile Displays müssen ein relativ große Bandbreite an Schwingungen produzieren können, um effektiv das Gefühl von Berührungen und Oberflächentexturen vermitteln zu können, da beim Streichen über Oberflächen meist eine Geschwindigkeit von mehr als 120 mm/Sekunde gewählt wird. Für die Untersuchung von Wellman et al. (1997) ist deshalb mindestens eine (zeitliche) Bandbreite von 30 Hz erforderlich. Aber auch eine hohe räumliche Auflösung ist erforderlich, damit bereits nur 0.9 mm auseinanderliegende Punkte (siese Distanz entspricht der räumlichen Auflösungsschwelle) reliabel ertastet werden können.

Wellman et al. (1995) beschreiben eine derartige Apparatur, bei der durch geeignete Flüssigkeits-Kühlung eine Bandbreite von 40 Hz bei den SMA-gesteuerten Stiften erreicht wird. Durch Filterung kann diese Bandbreite auf 1, 5 oder 30 Hz herabgesetzt werden. Mit dieser Apparatur läßt sich ein Kreis von 150 mm Durchmesser simulieren, innerhalb dessen Versuchspersonen zwei herausragende Punkte lokalisieren sollen. Mit zunehmender Bandbreite verringert sich die Suchzeit deutlich (insbesondere der Übergang von 1 Hz zu 5 Hz bewirkt eine Halbierung der Suchzeiten). Die Suche bei einer Bandbreite von 1 Hz empfinden die Versuchspersonen zudem als sehr frustrierend. In dieser Bedingung bleibt der herausragende Punkt auch bei direkter Berührung öfter unbemerkt, was beim Einsatz derartiger Systeme zur Diagnose und Lokation von Tumoren äußerst ungünstig wäre.

Kinästhetische Displays

Kinästhetische Empfindungen geben Aufschluß über die Körperlage und über den Kontakt zwischen dem Körper und dessen Umgebung. Im Gegensatz zu anderen Sinnen handelt es sich bei Kinästhetik nicht um einen Kanal, der nur in eine Richtung verwendet wird, es geht vielmehr um einen Energiefluß zwischen dem Menschen und dessen Umgebung: ``With kinesthetic interaction it is usually the case that to sense the environment is to modify the environment '' (Hannaford & Venema, 1995, S. 417).

Kinästhetische Informationen werden wahrscheinlich überwiegend über die Muskelspindeln vermittelt, die über Streckung und die Streckungsgeschwindigkeit der Muskeln informieren. Durch (künstliche) Vibrationen der Muskelspindeln lassen sich Bewegungsempfindungen hervorrufen. Eine weitere Quelle kinästhetischer Informationen kann in der efferenten Kopie der vom Gehirn ausgehenden Signale für Muskelerregungen bestehen.

Hannaford und Venema (1995) stellen einen Überblick über kinästhetisches Displays dar. Die ersten Systeme zur Teleoperation funktionierten über mechanische Verbindungen zwischen dem Operateur und dem ``Roboter'', so daß kinästhetisches Feedback aufgrund des Systems immer gegeben war. Bei den moderneren Systemen wird der Roboter aber elektronisch gesteuert, so daß Feedback über die Kräfte gesondert übermittelt werden muß.

Zur vollständigen Charakterisierung der kinästhetischen Information über den Kontakt mit einer Hand sind sechs Parameter erforderlich: drei für die Richtung der Kraft und drei für Drehmomente in jeder Richtung.

Als kinästhetische Displays lassen sich am einfachsten aktive Joysticks verwenden. Komplexer sind sogenannte force-feedback displays, die Geschwindigkeit und Position des Operateurs ermitteln und entsprechende Kräfte anwenden. Wünschenswert sind dabei folgende Eigenschaften (cf. Hannaford und Venema, 1995):

Für displacement-feedback displays, die das Verfolgen bewegter Objekte ermöglichen sollen, fordern Hannaford und Venema (1995) Es sind auch cross-modale kinästhetische Displays denkbar, bei denen Information über Kräfte beispielsweise graphisch rückgemeldet wird. Insgesamt sollten bei der Entwicklung kinästhetischer Displays folgende Ziele verfolgt werden:

Anwendungsmöglichkeiten

Als möglichen Anwendungsbereich für haptische Displays nennen Kaczmarek und Bach-y-Rita (1995) einen Sensor-Handschuh für Leprakranke (Hansen´s disease), die sich oft Verletzungen zufügen, weil sie Gegenstände zu fest ergreifen. Deshalb wird die taktile Information über die Greifkräfte mittels eines entsprechenden Displays an der Stirn zusätzlich dargeboten, so daß die Kräfte reguliert werden können.

Eine andere Anwendung besteht in der Steuerung von Aktivitäten außerhalb von Raumschiffen: Auf hierbei neigen die Astronauten zu viel zu kräftigen Greifbewegungen, da sie wegen ihrer Schutzkleidung kaum entsprechendes sensorisches Feedback erhalten.

Auch auditives Feedback kann durch haptisches ersetzt werden: Das menschliche Gehör führt eine Frequenzanalyse eingehender Schallreize durch. Deshalb lassen sich Hörschäden dadurch kompensieren, daß taktile Information über die Intensität der einzelnen Frequenzbänder gegeben wird.

Eine Möglichkeit, auch größere Flächen durch ein kleines haptisches Display darzustellen, besteht im gleichzeitigen Einsatz einer Maus, mit der im gesamten Display navigiert werden kann.


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Last modified 10-29-98